Anstrengende Genauigkeit zahlt sich aus. Das kann und will aber nicht jeder.

Das ist allerdings für Menschen, „die so sind und das können“ gar nicht immer angenehm, denn oft können sie einfach nicht aufhören zu denken. Das sind die Menschen, die einfach „zu viel wahrnehmen“: Sie kommen zum Beispiel in einen Raum hinein, in dem fünf Leute schon auf den Beginn einer Besprechung warten und ohne es bewusst zu steuern, bekommen sie schon jetzt alles mit: Sie nehmen die Stimmung jeder einzelnen anwesenden Person wahr – genauso wie das Gesamtgefüge. Unbewusst interpretieren sie sofort Erscheinungsbild, Tonfall, das Gesagte, Mimik, Gestik und die  Körpersprache der Anwesenden – und zwar von allen gleichzeitig.

Was dabei herauskommt, ist ein sehr genaues Bild der Situation und die Fähigkeit, sich dem entsprechend zu verhalten; in unserem Beispiel führt das dazu, dass solche Menschen sehr empathisch sind und auch so reagieren: Sie gehen sehr gut auf die Anwesenden ein, können bei Kommunikationsschwierigkeiten und Meinungsverschiedenheiten konstruktiv und erklärend vermitteln – ohne dass sich jemand vor den Kopf gestoßen fühlt. Weil sie sehr differenziert alle Details wahrnehmen, haben sie auch eine entsprechend differenzierte und exakte Sprache: Ihr Wortschatz ist enorm groß, enorm detailreich. Das hilft, Dinge klar auf den Punkt zu bringen.

Sie sind deshalb beispielsweise gefragte Moderatoren, Strategen, Analysten, Konzeptioner, Führungskräfte und Berater. Meist ist diesen Leuten ein ausgeprägter Wissensdurst und Forscherdrang zu eigen – in welchem Fachgebiet auch immer. Das ist hier ja nur ein ganz allgemeines Beispiel. Die Kehrseite der Medaille ist aber, dass man, wernn man so gestrickt ist, nicht immer auf Verständnis und Begeisterung stößt für den eigenen „Hang zur Tiefe“. Kurz gesagt: Man geht damit nicht wenigen Menschen auf den Geist. Weil man zum Einen „immer noch eine andere gute Idee auf Lager hat“ und zum Anderen sehr viel alleine vor sich hin tüftelt, recherchiert und denkt – mit zwar oft herausragenden Ergebnissen, aber eben solo, gänzlich ohne Teilhabe anderer. Teamfähigkeit gehört leider nicht zu den Stärken dieser Spezies – es sei denn, sie leiten das Team.

Oft zeigt sich der Hang zur Achtsamkeit und Genauigkeit schon im Privaten.

Was gerade hier natürlich gerne als „pingelig, langatmig, zu umständlich“ gewertet wird – aber, so unbequem diese Pingeligkeit ja auch sein mag, sie bringt oft eine ganze Menge.

Ein Beispiel aus meinem eigenen Erleben:

2 Reiterinnen, die schon seit 3 Jahren gemeinsam eine Reitbeteiligung haben, also gemeinsam ein Pferd versorgen und reiten, sind auf der Suche nach einer Lösung zu folgendem Problem:

Das Pferd hat Spaß an der Arbeit, macht richtig begeistert mit und ist zu reiten wie am seidenen Faden – aber immer erst nachdem es sich circa 50 (!!!) Minuten warmgelaufen hat. Vorher ist es steif, will kaum vorwärts, wehrt sich gegen den Zügel, drückt den Rücken weg und vieles mehr. Und statt dass diese Lösungsphase mit der Zeit und fortgesetztem Training kürzer wird, wird sie immer länger. Vor rund 3 Jahren war die Warmlaufphase zwar auch schon „zu lang um normal zu sein“, aber sie war kürzer als jetzt: Sie war ca. 30 Minuten lang.

Um dem Problem auf den Grund zu gehen, haben wir nun einen Pferde-Osteopathen und Pferde-Physiotherapeuten (Phillip Peters) um Rat gebeten. Vor seinem ersten Untersuchungstermin hat er uns gebeten, wir sollen unser Pferd beschreiben: Was ist auffällig, wie ist Leon denn so?

Die eine Reiterin schrieb so ungefähr das hier:

„Leon hat eine lange Lösungsphase und er stolpert oft mit den Hinterbeinen.“
Die Kern-Ursache dafür sah sie in einem nicht gut passenden Sattel, den wir aber inzwischen schon durch einen neuen ersetzt hatten.

Die andere Reiterin (ich) schrieb eine 7 DIN A 4-Seiten lange Liste mit allem, was ihr zu dem Pferd einfiel. Wer sich das antun will, hier ist die Liste.

(Anmerkung: Dass jemand ganz knapp in einem Satz eine Situation beschreibt, sehe ich gar nicht als  Manko. Im Gegenteil, das ist in etlichen Lebenslagen beruflich und privat genau der richtige Weg. Und ich finde diese Fähigkeit beneidenswert. Manchmal ist aber doch „meine Ausführlichkeit“ hilfreich. Und ja, ich weiß, dass die aber oft nervt.)

Kurzversion des Ergebnisses des Osteopathen-Termins:

Neben vielen kleineren Blockaden, die zu Bewegungseinschränkungen führen, hat das Pferd vor Allem einen starken Becken-Schiefstand und völlig unterentwickelte Rückenmuskulatur.

Angeratene tägliche Maßnahmen für zunächst 4 bis 6 Wochen:

• Erstmal nicht reiten. Reiten sei hier ein Kampf gegen Windmühlen.
• Statt dessen Bodenübungen zur Aufbau von Rücken- und Bauchmuskulatur.
• Und danach 30 Minuten Longieren mit Stangenarbeit, mal mit Dreieckszügeln mal mit Kappzaum. Mit dem Ziel, dass er sich vorwärts-abwärts dehnt.

Sie müssen sich vorstellen, dass ich seit über 3 Jahren dieses Pferd reite und manchmal über den vermeintlichen Misserfolg mit Tränen in den Augen auf dem Pferd saß und dachte, „Ich lern`das nie. Ich gebe es jetzt einfach auf.“ Während ich die ganze Zeit von Profis zu hören bekam „Das Pferd hat nix. Gutes Reiten kommt von Reiten – Übung macht den Meister, das wird schon.“  Das war immer die Antwort auf meine Fragen nach eventuellen körperlichen Schwierigkeiten des Pferdes und wenn ich mein Gefühl beschrieb, dass ich einfach denke, ich tu dem Pferd nix Gutes, wenn ich es reite. Und das ich das nicht will, dass ich am Anfang immer erstmal so fordernd sein muss.

Am Ende kam jetzt sogar raus, dass das Pferd in seiner Jugend mal ein gebrochenes Becken gehabt haben muss – was natürlich zu gewissen Einschränkungen führt, die man kennen und berücksichtigen muss.

So viel zum Thema „Anstrengende Genauigkeit“.

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Weiterführende Links:

Philip Peters, Gesundheit für Mensch und Pferd. Osteopathische Pferdetherapie & Human-Physiotherapie.
www.flexhof.de